Chronik

Wie schnell sich in Obergünzburg die neue Idee der Gemeinsamkeit „Turnen“ durchgesetzt hat, zeigt sich im Gründungsjahr: Denn bereits 10 Jahre nach dem Tod von Turnvater Jahn und nur 2 Jahre nach Gründung der Deutschen Turnerschaft in Coburg hat sich eine Gruppe Mutiger zu einem Turnverein zusammengetan (siehe Kaufbeurer Anzeigenblatt vom 13.05.1863). Anfänglich gaben wohl selbst die Gründer ob des Negativimages des Turnens ihrer Initiative keine allzu großen Überlebenschancen. Denn erst nach ca. 40 Jahren hat die gezielte Arbeit eines Chronisten begonnen. Dies heißt aber nicht, dass nichts über die Gründerzeit und den Jahren danach überliefert ist.

Der 1862 gegründete Sportverein rekrutierte zwei Jahre später aus seinen Mitgliedern auch die freiwillige Feuerwehr. Es entstand der Turner-Feuerwehr-Verein,

Turner-Feuerwehr-Verein 1862 - 1912

In den Jahren zwischen 1862 und 1912 spielte sich die Feuerwehr immer stärker in den Vordergrund. Der gewählte Vereinsname wurde immer öfter unterschlagen. Dies drückte sich auch dadurch aus, dass, bis auf den Gründungsvorstand Carl Haug, alle Vorstände aus den Reihen der Feuerwehr kamen. Den Turnern blieb nur der Turnwart und der Status einer untergeordneten Abteilung. Somit waren Reibereien immer öfter an der Tagesordnung. Dieser Turnwart war aber für die Sportler der eigentliche Vorstand. Man baute sich einen eigenen Unterbau auf und führte ein eigenes Protokollbuch.

Bei diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Chronik im Jahre 1906 die Zahl von nur 35 Mitgliedern ausweist. In dieser Zeit wurden die Kontakte zu den Turnern Kotterns aufgebaut, dem späteren Patenverein. Durch diese Aktivitäten wurde dringend ein Turnraum benötigt. Für die Jahresgebühr von 10,-- DM stellte Herr Hans Gabler/Günzach die Tanzfläche im „Goldenen Hirsch“ zur Verfügung, der somit auch Vereinslokal wurde.

Überliefert ist, dass sich erstmals im Jahre 1911 der damalige Vorstand der Turner-Feuerwehr, Herr Heiss, bei den Turnen die Ehre gab. Die Turner fühlten sich immer stärker benachteiligt. So beschloss man im Jahre 1912, es war in der Zwischenzeit eine eigene Faustballriege am 9. März gegründet worden, eine eigene Abteilung „Turnen“ zu führen.

In einer Monatsversammlung am 20.04.1912 traten dann die Risse zwischen den beiden Parteien offen zu Tage. Beisitzer Alfred Haug verkündete oben genannten Beschluss, basierend auf der Tatsache, dass der Turnverein vor der Feuerwehr existent war. Und am 23.11.1912 kam es zum endgültigen Bruch: Man verständigte sich darauf, dass die Feuerwehr die Vereinsfahne bekam, die Turner erhielten ihre Turngeräte und die Fahnenbänder. Und ab dem 1.1.1913 war es dann soweit: Als selbständiger Verein entstand der Turnverein Obergünzburg.

Aufnahmekarte von 1908

Turnverein 1913 - 1946

In der Gründungsversammlung am 22.02.1913 wurde der Bautechniker Josef Wiedmann zum ersten Vorstand der TV Obergünzburg gewählt, der sein Amt bis 1945 innehaben sollte. Er führte den Verein durch alle Wirren der beiden Weltkriege und deren Auswirkungen.

Am ersten Mobilmachungstag des 1. Weltkriegs erloschen die Aktivitäten von 138 Mitgliedern mit ihrem 30 „Zöglingen“. Aus dem Krieg kehrten 22 Turnbrüder nicht mehr heim. Aber sofort nach dem Kriegsende blühte das Vereinsleben wieder auf. Der Schwerpunkt dessen war die Kameradschaftspflege, Unterhaltungsabende und Massenfreiübungen, zu denen man heute Breitensport sagen würde. Äußeres Zeichen dieser Aktivitäten war die Gründung einer eigenen Damenriege am 23.10.1919 und die Aufnahme des Knabenturnens in das Vereinsprogramm im Jahr 1920. Man besuchte sehr viele Turnfeste, von denen das Gauturnen in Mindelheim im Jahre 1921 eine besondere Erwähnung fand. Siegte man doch im Mannschaftsturnen und 20 von 23 Obergünzburger Teilnehmer erhielten einen Preis.

von links nach rechts: Vorstand Josef Wiedmann, Hermann Schütz, Dr. Erwin Lorenz, Josef Osterberger und Ludwig Wankmüller

Es dauerte aber noch bis zum 18.01.1923, an dem das erste Turnen in den Räumen der aufgelassenen Lenzbrauerei durchgeführt werden konnte. Dieses Provisorium blieb Heimat der Turner. Der Hirschsaal konnte erst wieder im Juli 1926 zu den Reichs-Jugendwettkämpfen benutzt werden. Am 19.02.1927 fand dann der erste Faschingsball unter Mitwirkung des Blasorchesters statt. In eine Faschingszeitung wurde, nicht ohne Schadenfreude, von den Missgeschicken der Bürger und in der Gemeinde berichtet. Noch in diesem Jahr, dem 65. seines Bestehens, konnte man für ein Großereignis rüsten: Es war am 12. Juni 1927 Fahnenweihe

Nach einleitenden Musikstücken unseres rührigen Blasorchesters sprach namens des Turnvereins Herr Vorstand Wiedemann den Willkommengruß allen lieben Gästen. Frl. Lini Schwarz, reizend als Altobergünzburgerin gekleidet, kleidete ihren Willkommengruß in poetische altobergünzburgerische Dialektform. Anschließen begrüßte Bürgermeister Fehr die zahlreich erschienen Gäste.“ Weiter berichtet der Redakteur des Obergünzburger Tagblatts Nr. 132/13.06.1927 von dem Weckruf um 4 Uhr 30 und den um 6 Uhr (!) beginnenden Wettkämpfen. Nach der vom H.H. Pfarrer Linder vorgenommenen Fahnenweihe übergab der Vorstand des Patenvereins TSV Kottern, Herr Kratzer, die Fahne an den Fahnenjunker des TV Obergünzburg, Ludwig Wexel. Am folgenden Festumzug nahmen 7 Kapellen und 53 Vereine mit 38 Fahnen teil. Ein Festabend mit Turnvorführungen der beiden Turnriegen  und dem „herrlichen Festspiel: Lieber tot, als Sklav“ rundete das Rahmenprogramm ab. Ein großer Tag in sich ankündigenden, immer schlechter werdenden Zeiten! Nach diesem Fest gab Josef Anzenhofer am 17.12.1927 in der Chronik zu Protokoll:

„Die Namen Josef Wiedmann, Josef Egg, Josef Osterberger, Baptist Egg, Hermann Schütz und Hans Seybold bilden in der Geschichte des hiesigen Turnvereins die stärksten Grundpfeiler.“

Mit großer Energie gingen die Verantwortlichen notwendige Aufgabenlösungen an. So entschied man sich in schlechtester Zeit im Jahre 1928 dazu, eine Turnhalle zu bauen. Allerdings liefen die Verhandlungen mit Herrn Engstler unglücklich und trotz der Unterstützung durch Herrn Gabler/Günzach verwehrte der Gemeinderat seine Mithilfe. Erst als nach langwierigen Verhandlungen der Rössle-Wirt Hans Seybold im Jahre 1930 dem TSV Obergünzburg das Grundstück schenkte und die Gemeinde Baumaterial und einen Bauzuschuss bewilligte, konnte an die Verwirklichung des Projekts herangegangen werden. Knochenarbeit war für die freiwilligen Helfer die Herstellung von 40 – 45 kg schweren Zementsteinen und ein Aushub von 440 cbm. Die Turnhalle war so Zeichen großer Gemeinsamkeit und Entschlossenheit. Erst als der Verein nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr das Geld hatte, die Halle zu sanieren, trat der Markt Obergünzburg mit notariell am 09.12.1964 abgeschlossenen Vertrag das Besitzrecht an. Ein Beweis dafür, dass auch in der neueren Entwicklung des Marktes die Notwendigkeit eines funktionierenden Sportvereines erkannt worden ist und mitgetragen wird.

Nach dem baulichen Kraftakt kam der politische Gewaltakt. Nach der Machtergreifung und den in der Folge erlassenen Gesetzen zur Umorientierung des Sports in einen Kampfsport im Deutschen Reichsbund für Leibesübung hatte nur noch der propagandistisch nutzbare Leistungssport seinen Platz im Sportgeschehen Deutschlands. Ausbauarbeiten an der Turnhalle wurden durch die letzten Weihnachtsausstellungen der Obergünzburger Geschäfte in den Jahren 1935 und 1936, deren Erlös dem Verein zufloss, finanziert.

Gabler-Saliter stellte dafür einen Maurer ab. Am 20.09.1936 enden dann die Eintragungen in das Protokollbuch mit dem Vermerk, dass allen Mitarbeitern für ihre Mühen und Arbeiten gedankt sei. Mit dem Beginn des 2.Weltkriegs, aus dem 29 Turner nicht mehr zurückkehrten, war dann endgültig jede sportliche Aktivität im Verein erloschen.

TSV 1862 Obergünzburg e.V.

Nach diesem neuerlichen Koma musste wieder von Vorne angefangen werden. Bereits am 26.04.1946 hatte sich der TSV Obergünzburg eine neue Satzung gegeben wurde neu konstruiert. Fast im gleichen Atemzug wurde die Abteilung Fußball wieder ins Leben gerufen. 1947 folgte bereits die Tischtennisabteilung. Allerdings wurde der Verein erst am 27.04.1948 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Marktoberdorf eingetragen.

Ab diesem Zeitpunkt nahm die ständige Aufwärtsentwicklung des Vereins seinen Lauf. Wenn auch alle Ernennungsdaten nicht bekannt sind, sei doch erwähnt, dass am 10.05.1953 Josef Wiedmann zum Ehrenvorsitzenden berufen wurde. Anlässlich seines 80. Geburtstages wurde Alfred Haug, ein ständiger Streiter für den TSV Obergünzburg, im Jahre 1968 zum Ehrenmitglied ernannt. In heute 13 aktiven Abteilungen bestreiten fast 1500 Mitglieder die ihrer Neigung gerecht werdende Sportart. Die Entwicklung der einzelnen Abteilungen ist fester Bestandteil der TSV Obergünzburg-Geschichte. Und diese Geschichte ist 20 Jahre lang wesentlich von seinem 1. Vorstand, Herrn Notar Werner Hofmann, geprägt worden, der mit seiner Stiftung einer neuen Fahne auch ein neues Zeichen für eine Zukunft in Gemeinsamkeit mit den immer noch geltenden Grundsätzen des Sports gesetzt hat. Die Entwicklung der Abteilungen und deren Erfolge können Sie nachlesen. Sie werden dann feststellen, dass, in Obergünzburg nicht nur Breitensport, sondern auch Leistungssport der Spitzenklasse geboten wird.